Neue EU-Richtlinie zur Lohntransparenz: Geschlechtergerechtigkeit am Arbeitsplatz

Aktualisiert: 28. September 2023

5 min

Haufe Redaktion Mittelstand ERP allgemein

Gerechtigkeit und Chancengleichheit in der Arbeitswelt: Dafür soll die neue EU-Richtlinie zur Lohntransparenz sorgen. Wir beleuchten, wie der Gender Pay Gap überwunden werden soll und welche Folgen die Einführung hat. Außerdem zeigen wir, wie Cloud-ERP-Systeme bei der Umsetzung der neuen Richtlinie helfen können.

Der Gender Pay Gap als Herausforderung:

Wenn zwei Menschen genau die gleiche Arbeit verrichten, sollten sie auch genau gleich viel verdienen. Was logisch klingt, entspricht leider nicht der Realität. Bis heute erhalten Frauen für die gleiche Arbeit im Durchschnitt einen geringeren Stundenlohn als ihre männlichen Kollegen. Und das europaweit. Im europäischen Vergleich liegt das geschlechtsspezifische Lohngefälle bei rund 14 Prozent. Eine Zahl, die aufhorchen lässt, aber immer noch unter dem in Deutschland gemessenen Wert von 18 Prozent liegt.

Info: Vorsicht beim Gender Pay Gap

Der große Gender Pay Gap ist auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen. Unter anderem arbeiten Frauen häufiger als Männer in Branchen und Berufen, die grundsätzlich schlechter bezahlt werden, hinzu kommt die höhere Teilzeitquote von Frauen. Und dennoch: Selbst bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation erhalten Frauen rund 7 Prozent weniger Bruttoverdienst als ihre männlichen Kollegen.

Neue EU-Richtlinie für mehr Lohntransparenz

Die Zahlen sind alarmierend und die EU hat reagiert: Am 06.06.2023 trat die neue Richtlinie für mehr Lohntransparenz in Kraft. Diese verfolgt ein klares Ziel: Das geschlechtsspezifische Lohngefälle in Europa soll verringert werden.

Das heißt, Gehälter sollen offener kommuniziert werden, um transparentere Strukturen zu schaffen. Damit strebt die EU auch eine deutliche Veränderung der Gesprächskultur an, denn das Gehalt gilt häufig als Tabuthema am Arbeitsplatz. Die Lohntransparenz soll durch eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt werden:

Auskunftsrecht für Arbeitnehmende

Nach der neuen Richtlinie zur Lohntransparenz haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Auskunftsrecht über ihr Gehalt. Sie können sich also nicht nur frei mit ihren Kollegen austauschen, sondern auch direkt vom Arbeitgeber Auskunft verlangen. Dieser ist dann verpflichtet, die Lohninformationen anonymisiert und nach Geschlecht und Gruppen aufgeschlüsselt offen zu legen. Dadurch können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zwar nicht das Gehalt einzelner Personen erfragen, aber sie erhalten einen besseren Überblick über die gesamte Gehaltsstruktur in ihrem Bereich. So können unter anderem geschlechtsspezifische Unterschiede aufgedeckt werden.

Auskunftsrecht für Arbeitssuchende

Auch Arbeitssuchende profitieren von der neuen Richtlinie und erhalten deutlich mehr Lohntransparenz im Bewerbungsprozess. Sie müssen künftig darüber informiert werden, mit welchem Einstiegsgehalt oder mit welcher Gehaltsspanne sie rechnen können. Dieses Auskunftsrecht können Unternehmen entweder direkt in der Stellenanzeige oder im gemeinsamen Vorstellungsgespräch erfüllen. Darüber hinaus dürfen Arbeitgeber Bewerber nicht mehr nach früheren Gehältern fragen. Eine solche Lohntransparenz wurde bereits in der Vergangenheit von Stellensuchenden gefordert.

Berichterstattungspflicht für Unternehmen

Alle Unternehmen mit Sitz in der EU sind verpflichtet, über das Lohngefälle in ihrem Unternehmen zu berichten. Die Berichtspflicht hängt von der Größe des Unternehmens ab:

-Unternehmen mit weniger als 150 Beschäftigten müssen zunächst nicht berichten. Erst ab 2028 müssen sie alle drei Jahre an die nationale Behörde berichten.

-Unternehmen mit mehr als 150 Beschäftigten müssen alle drei Jahre an die zuständige nationale Behörde berichten. Diese Verpflichtung beginnt 2024, genau ein Jahr nach Inkrafttreten der Richtlinie.

-Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten sind verpflichtet, jährlich über das Lohngefälle in ihrem Unternehmen zu berichten.

Konsequenzen bei Nichteinhaltung der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz

Die neue EU-Richtlinie zur Lohntransparenz soll nicht nur die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern fördern. Unternehmen, die sich nicht an die Regeln halten, müssen zudem mit empfindlichen Konsequenzen rechnen.

Finanzielle Verpflichtungen: 
Betriebe, die gegen die Richtlinie verstoßen, können finanziell zur Verantwortung gezogen werden. Dazu gehören Geldbußen, die von den Mitgliedstaaten individuell festgelegt werden können. Die Höhe der Bußgelder variiert je nach Schwere des Verstoßes 

Die Pflicht zur Entschädigung:
Die Richtlinie sieht vor, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von geschlechtsbezogener Entgeltdiskriminierung betroffen sind, eine Entschädigung erhalten. Diese Entschädigung umfasst die Nachzahlung des entgangenen Arbeitsentgelts sowie alle damit verbundenen Prämien oder Sachleistungen.

Verlagerung der Beweislast:
Ein wesentlicher Aspekt der Richtlinie ist die Verlagerung der Beweislast. Arbeitgeber müssen nachweisen, dass keine Entgeltdiskriminierung vorliegt. Das bedeutet, dass die Unternehmen im Streitfall die Beweislast tragen und sicherstellen müssen, dass ihre Entgeltstrukturen geschlechtsneutral sind.

Sammelklagen und kollektive Rechtsdurchsetzung:
Die Richtlinie ermöglicht Sammelklagen und die kollektive Rechtsdurchsetzung durch Gleichbehandlungsstellen und Arbeitnehmervertretungen. Im Namen der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dies erhöht das Prozessrisiko für Unternehmen.

Die neue Richtlinie als Erweiterung der bestehenden Gesetze

Die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz stellt eine Erweiterung der bestehenden Regelungen zur Entgelttransparenz in Deutschland und der gesamten EU dar. In Deutschland und der EU gilt bereits der Grundsatz der Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern. Mit der neuen EU-Richtlinie soll dieses Prinzip durch verbindliche Maßnahmen effektiver umgesetzt werden.
Die EU-Mitgliedstaaten haben nach Inkrafttreten der Richtlinie bis zu drei Jahre Zeit, die darin enthaltenen Regelungen in nationales Recht umzusetzen. Dies ermöglicht eine schrittweise Integration der neuen Regelungen in die nationalen Gesetzgebungen und soll eine bessere Durchsetzung der Entgeltgleichheit in der gesamten EU gewährleisten

So helfen Cloud-ERP-Systeme bei der Umsetzung

Die Einführung der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz fordert von Unternehmen transparentere Vergütungsstrukturen. Cloud-ERP-Systeme können dabei in vielerlei Hinsicht helfen:

  • Datenanalyse: Cloud-ERP-Systeme konsolidieren und analysieren Daten, um geschlechtsspezifische Lohnunterschiede aufzudecken.
  • Gehaltsmodellierung: Diese Systeme ermöglichen die Modellierung unterschiedlicher Gehaltsstrukturen, um Diskriminierungen zu vermeiden.
  • Berichterstattung: Cloud-ERP-Systeme generieren automatisierte Berichte, die geschlechtsspezifische Lohnunterschiede transparent darstellen können.
  • Auskunftsrecht: Mitarbeiter können selbst ausgewählte Gehaltsinformationen einsehen und anonym Vergleiche anstellen.
  • Compliance-Überwachung: Diese Systeme ermöglichen es, die Einhaltung der Richtlinien in Echtzeit zu überwachen und Verstöße schnell zu beheben.
     

Insgesamt können Cloud-ERP-Systeme eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz spielen. Sie unterstützen Unternehmen bei der Erfassung, Analyse, Berichterstattung und transparenten Kommunikation von Daten. Dies trägt nicht nur zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles bei, sondern fördert auch eine integrative Arbeitskultur, in der Fairness und Chancengleichheit im Vordergrund stehen.